Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie im Jahr 2020 stellen die Veranstaltungswirtschaft auf eine schwere Probe. Veranstaltungen mit Abstandsregeln, Mundschutz usw. machen Events jedweder Art unwirtschaftlich teuer – sowohl für Veranstalter wie für Besucher, die sich aber natürlich inzwischen mehr und mehr nach Events sehnen.
Also: Pause für alle. Und das auf unbestimmte Zeit.
Aus dieser Pause kann auch das Aus für viele Firmen und Einzelunternehmer werden, denn meist wird der Umsatz, den die Eventwirtschaft generiert, unterschätzt – und damit auch die Kosten, die die zwangsweise stillgelegte, hoch leistungsfähige Technik verursacht, wenn sie kein Geld verdienen kann.
Während bisher (Juni 2020) milliardenschwere Unterstützungsprogramme an wenige Großunternehmen anderer Industriezweige ausgebracht werden, geht die Veranstaltungswirtschaft, die auch viele kleinere Unternehmen, hochspezialisierte Nischen-Anbieter sowie eine Armee kreativer Einzelunternehmer in sich vereint, vergleichsweise leer aus.
Wenns nur das wäre
Die Situation insbesondere von Einzelunternehmern ohne Angestellte, wie ich einer bin, hat sich in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert. So hat die uneindeutige Gesetzgebung in Sachen Scheinselbstständigkeit zu einer Reihe sehr willkürlich erscheinender Urteile geführt, die ganze Tätigkeitsbereiche in den Ruin getrieben hat und die Firmenlandschaft in Deutschland erheblich verändert hat.
Die aus diesen Urteilen entstehende Rechtsunsicherheit gefährdet das Einzelunternehmertum in der Veranstaltungswirtschaft, das bisher einen Großteil von programmgestaltender Kompetenz und auch den so nötigen Puffer für den immer wieder auftretenden plötzlichen Personalbedarf in der Eventbranche aus einem großen Pool von Solounternehmern rekrutiert hat.
Blühende Rettungsschirme
Hilfsangebote in der Corona-Krise fallen je nach ausführender Behörde, wie auch nach Bundesland unterschiedlich aus. In Schleswig-Holstein ist für Solounternehmer, die nicht unmittelbar vor der Privatinsolvenz stehen, von Anfang an keine Hilfe vorgesehen. In Nordrhein-Westfalen sieht es zunächst besser aus, aber man rudert schnell zurück und stellt auch hier Hilfsprogramme auf ein Minimum um. In Hamburg geht es dagegen für Solounternehmer besser zu, berichten mir Kollegen.
Vom Regen in die Traufe
Jetzt, nach den ersten Lockerungen der Coronamaßnahmen, zeichnet sich ab, dass vor Ende des Jahres kaum an größere Veranstaltungen zu denken ist, und auch nächstes Jahr ist kaum mit Besserung zu rechnen. Das ist ein Szenario, das keinerlei Ausweichmöglichkeit für die Eventbranche erahnen lässt – ist doch ihre Kernkompetenz das effektive Adressieren von Menschenmassen.
Was ist da los?
Fragt sich die Branche, die sich über Jahrzehnte ohne Verbände oder straffe Organisationen von einer fidelen Großfamilie in einen leistungsfähigen Industriezweig mit Milliardenumsätzen entwickelt hat und insbesondere in den Metropolen auch für andere Gewerbe wie Tourismus und Hotellerie für fruchtbaren Boden sorgte.
Man geht davon aus, dass die stiefmütterliche Behandlung durch die öffentliche Hand nur aus Unwissenheit entstehen kann und formiert sich, um sich – endlich mal – zu zeigen. Um zu zeigen: wir sind viele, wir sind überall. Jetzt am 22.6.2020 werden während der „Night of Light“ in der ganzen Republik rote Lichter angehen.
Nicht im Auftrag des Herrn, sondern im Namen der Liebe führte mich die Michael Bolton Tour 2011 eine Woche lang als Monitor-Support quer durch Europa. Eine nette Reise in familiärer Atmosphäre, die Erinnerungen an frühe Jahre wach rief.
Diese Fahrt lieferte auch die Antwort auf die Frage, ob ich nicht eigentlich zu alt dafür bin. Antwort: „eigentlich nicht.“
… so kann es auch beim Theater gehen und deswegen ist dieses Projekt in die Rock´n´Roll-Abteilung gerutscht.
Aus einer Anfrage für die Einrichtung von Videotechnik ergab sich im November unverhofft ein Auftrag für eine kleine Bühne mitsamt Lichttechnik und -Design. Bei der Ortsbesichtigung hatte sich die Halle zwar mit einem modernen Beamer ausgestattet präsentiert, war aber ansonsten eher spartanisch bestückt: Kein einziger Dimmer im Saal, 2,89m nutzbare Bühnentiefe, jede Menge guter Wille und sonst nichts.
Die Presse war schon alarmiert und der Vorverkauf angelaufen. So trat man mit der Frage an mich heran: „Kannst Du nicht irgendwas machen, dass wir hier spielen können und was nicht nach Schülertheater aussieht?“
Offenbar scheint 2010 das Jahr der Theaterbegegnungen für Bernhard Waack zu werden.
Auch im Jahr 2010 durfte ich das Reeperbahnfestival auf der Open-Air-Bühne am Spielbudenplatz am FOH begleiten.
Wie schon die Jahre zuvor galt es, strikte Lautstärkeauflagen der Behörden zu berücksichtigen. Diese machen hier eigentlich Musikdarbietungen mit Schlagzeug und elektrischen Gitarren unmöglich.
Veranstalter und Betreibergesellschaft möchten dem Publikum solche Genüsse dennoch nicht vorenthalten und so wurde auf dem Spielbudenplatz keine Mühe gescheut, auch mitten in der Stadt ein solches Event möglich zu machen.
Mit Plexiglas rund ums Schlagzeug, eingeschränkten Spiel- und Soundcheckzeiten und einem bis zur Unkenntlichkeit reduzierten, konventionellen Monitoring haben sich Musiker und Techniker durch ein ereignisreiches Wochenende gemogelt.
Es bleibt die Frage, wie viel Kompromiss die Musik verträgt. Da würde ich gern mal Wolfgang Amadeus Mozart zu befragen.
… war die anspruchsvolle Aufgabe des Sommers 2010.
Am Anfang stand ein Treffen Ende Mai 2010 mit dem Bauherrn Wolfram Greifenberg und der Bitte, ein Beleuchtungskonzept für die 120 Quadratmeter große Bühne zu erstellen. Schnell kamen Aspekte wie Videotechnik, Strombedarf und grundsätzliche Überlegungen zur Funktionalität der Bühne hinzu.
Zwei Wochen später war klar, dass ich auch den Einkauf der Beleuchtungsanlage übernehmen sowie den Einbau durch professionelle und freiwillige Helfer leiten sollte. Der Zeitrahmen war eng und die Anlage sollte maximale Funktion bei möglichst geringem finanziellem Aufwand liefern. Eine tolle Aufgabe, die mich parallel zum normalem Sommergeschäft drei Monate lang in Atem hielt.
In enger Zusammenarbeit mit Bütec ist es uns gelungen, eine relativ riesige Bühne in ein relativ kleines Haus zu integrieren. Pünktlich zum angestrebten Eröffnungstermin am 4.9.2010 konnte Piehls Showpalast seine Tore öffnen und bietet neben 60 kW konventioneller Lichttechnik, LED-Effekten und anspruchsvoller Tontechnik auf der Hauptbühne auch ein ein geschmackvoll eingerichtetes Foyer mit einer Kleinkunstbühne.
Um das knappe Raumangebot effektiv nutzen zu können, sowie die Lage von Traversen und Sofitten zu optimieren, erwies sich eine Computersimulation des Objekts als außerordentlich hilfreich. So lässt sich auch die Lage von Leinwänden, Gassenbeleuchtung und Vorhängen schnell und einfach variieren.
Eine tolle Hilfe bei einem Projekt, das sich während der gesamten Bauphase noch in ständigem planerischem Wandel befand. Ich kann diese Methode nur jedem ans Herz legen, denn hier offenbaren sich ganz schnell auch Fehler, die man am Reissbrett gern übersieht.
Am 23.8.2010 durfte ich für Georg mittels Videotechnik für künstlerische Videohintergründe während einer Gala-Veranstaltung in den „fliegenden Bauten“ in Hamburg sorgen.
Ein spannendes Projekt, bei dem wieder mal vieles „on the fly“ vor Ort erarbeitet werden musste. Das Ergebnis war ganz anständig und es hat großen Spaß gemacht, an dem künstlerischen Prozess hautnah mitwirken zu dürfen. Für die Erstellung der Videohintergründe kamen sowohl vorproduzierte Computeranimationen wie auch Bilder von mehreren Live-Kameras zum Einsatz.
Zusammen mit der effektvollen Saalbeleuchtung ergab sich ein schlüssiges Bild, bei dem wir natürlich auch aufregendere Hintergründe gezeigt haben, als nur eine Leiter auf der Bühne, wie es das obige Foto vom Aufbau zeigt.
Technische Daten: 15.000 Ansilumen Rückprojektion 5m x 3m, 3 Live-Kameras in SD, 1 Zuspielrechner, 1 Digitales Videomischpult
Meine erste Begegnung mit miniaturisierten Line-Arrays führte mich nach Lauenburg. Dort gab es das dritte Schlosskonzert zu beschallen, das zur Vorsicht in die Hallen dert Hitzler-Werft verlegt wurde, um die 750 Zuschauer vor der wechselhaften Witterung zu schützen. Die Arbeit mit der kleinen Orchesterbesetzung und dem großen Chor hat großen Spaß gemacht.
Zum Einsatz kamen 4 Module Seeburgs GL16 und 4 Stück 18-zöllige Bässe, eine Handvoll hochwertiger Mikrofone sowie ein LS9. Diese kleine Anlage meisterte die Aufgabe mit Bravur. Allerdings gilt es auch bei diesem System, erst einige Eigenheiten kennen zu lernen. Ich habe die Gelegenheit genutzt, einen kleinen Bericht in der Tools4Music über diesen Gig zu schreiben.
Hamburgs Color-Line-Arena ist mit rund 12.000 Besucherplätzen ein Veranstaltungsort typischer Größe für die Eros Ramzzotti Tour 2006.
Die Produktion bringt mit mehreren Sattelzügen sämtliches Material an Licht- und Tontechnik selber mit. Bei Eros wird außerdem mit Videogroßbildprojektion und LED-Technik gearbeitet, so dass auch ein kleines Fernsehstudio mit auf Reisen geht.
Die Aufgaben rund um die Tontechnik sind bei Produktionen dieser Größenordnung auf drei Techniker verteilt:
Den Sound für das Publikum gestalten der FOH-Engineer und der System-Engineer zusammen. Auf der Bühne bestimmt der Monitor-Engineer den Klang für die Musiker, sei es durch konventionelle Lautsprecherboxen, durch In-Ear-Systeme oder beides. Aufbau und Pflege der Instrumente wird von Backlinern übernommen.
Das System: L-Acoustics
System-Engineer Antonio Paoluzi ist bereits das zweite Jahr in dieser Position mit Eros Ramazzotti in Europa unterwegs und kennt die meisten Venues in Deutschland bereits von der ein oder anderen Produktion.
Bei Eros Ramazzotti benutzt er ausschließlich Komponenten von L‑Acoustics:„Mein Setup sieht jeden Tag ähnlich aus, weil auch die Hallen, in denen wir spielen, sehr ähnlich gebaut sind. Für die Hauptbeschallung hänge ich ein Line-Array aus 12 bis 16 V‑DOSC pro Seite, nach unten mit ein paar kleineren dV-DOSC ergänzt. Für die Extrem-Positionen rechts und links von der Bühne hängen wir zwei kleinere Arrays aus 5 bis 9 VDOSC-Systemen. Diese erhalten eine Mono-Mischung. Oft müssen wir Abstrahlwinkel von 180 Grad realisieren, weil Plätze verkauft werden, die tatsächlich seitlich auf die Bühne schauen. Dafür hänge ich auf jede Seite noch ein weiteres Array, das aus bis zu 9 dV‑DOSC besteht. Alle geflogenen Systeme werden Full-Range betrieben und spielen bis hinab zu 60 Hz.“
Als Subbass finden 28 SB218 Verwendung. Diese stehen in zwei Clustern rechts und links der Bühne. Ihr Signal wird direkt aus der Stereo-Summe gewonnen. Zwei Frontfills versorgen die ersten Reihen mit Direkt-Schall. Das ist schon alles.
Bass-Management: universell
Antonio Paoluzi positioniert zusätzlich zu den Hauptbässen zwei kleine Bass-Cluster unter der Bühnenmitte. „Damit kann ich die Bass-überhöhung, die in der Bühnenmitte durch die Stereo-Anordnung entsteht, ausgleichen. Die Centerbässe erhalten das gleiche Signal wie die großen Cluster, jedoch phasengedreht und ohne jede weitere zeitliche Verzögerung. Mit dem Pegel der Centerbässe kann ich sehr schön die Menge des Tieftonangebots mittig vor der Bühne regulieren.
Wie laut die Centerbässe sein müssen, ermittele ich mit einer Frequenzgang-messung.“<br>Antonio nutzt hierzu einen Laptop mit Smaart-Software von SIA. Das Programm läuft auch während der Show mit und liefert jederzeit Aufschluss über den Frequenzgang am FOH-Platz. Laufzeitunterschiede zwischen Haupt-PA und Bass-Clustern werden bei Eros Ramazzotti ebenfalls optimiert. Hierbei dient der FOH-Platz als Referenzpunkt.
That´s the way to do these things
Antonio:“Dieses Bass-Setup funktioniert sowohl für größere als auch für kleinere Bühnen.
Die Winkel der Line-Arrays stelle ich für jedes Venue neu ein, hier helfen die Software-Tools der Hersteller. Diese Programme sind allerdings kein Zaubermittel, die auf Anhieb optimale Vorschläge liefern. Die Ergebnisse dieser Simulationen muss man zu interpretieren wissen.
Der Klang eines Line-Arrays wird größtenteils durch die Winkel zwischen den Boxen bestimmt. Natürlich hat jedes Array seinen eigenen Equalizer.
Innerhalb eines Arrays erhalten alle Boxen das gleiche Signal.
Der Klang auf den seitlichen Plätzen ist immer etwas bassarm, hier muss ich jeden Tag die seitlichen Line-Arrays mit den Equalizern etwas kitzeln, um auch auf diesen Plätzen ausreichend Tiefbass zu erhalten. Außerdem sind hier die Balkons der meisten Hallen sehr nah an den Lautsprechern, so dass die Side-Hangs eine andere Filterkurve als die Haupt-P.A. erhalten müssen.
Jon Lemon liefert mir neben der Stereosumme für die Haupt-P.A. noch eine Mono-Mischung, die er in den Bässen nicht ganz so tief angelegt hat. Diese nutzen wir für angeschlossene Medien, aber auch für Delay-Lines, Side-Hangs und Nearfills. Thats the way to do these things.“
Digital: von A bis Z
Als FOH- und Monitor-Konsole werden bei Eros Ramazzotti DiGiCo D5 live eingesetzt. Bei diesem digitalen System stehen die Mikrofon-Preamps und AD-Wandler als abgesetztes Rack auf der Bühne. Die Signale (die Ramazzotti Produktion verzeichnet dieses Jahr über 70 Inputs) gelangen über zwei unscheinbare Glas-Faser Kabel in die Mischpulte. Antonio Paoluzi geht dieses Jahr sogar mit der Summe digital via AES/EBU zurück zu den Controllern der Haupt-PA unter der Bühne. So bleiben die Signale komplett in der digitalen Domain und frei von Artefakten, die durch mehrfache Wandlung entstehen können.
Allerdings gesteht Antonio ein, dass er für Havarie-Fälle auch noch über analoge Rückwege zu Bühne verfügt. Ein Aufwand, der zwar Sicherheit schafft, aber auch sorgfältiges Time- Alignment erfordert. Denn beim Umschalten auf die analogen Rückwege entstehen durch die zusätzliche Wandlung Latenzzeiten, die im Gesamtsetup berück-sichtigt und entsprechend eingearbeitet werden müssen.
Equalizer: parametrisch
Graphische Equalizer sieht man auf der Eros Ramazzotti Produktion nicht.
Genau genommen sieht man überhaupt keine Equalizer in den Sidracks am FOH- oder Monitor-Platz. Als Hauptequalizer dient ein XTA DP226: Ein digitales Lautsprecher-Management-System, das 6 Ausgänge aus zwei Eingängen generiert. Jeder Eingang verfügt über 8 voll-parametrische Filter. Für jeden Ausgang können noch einmal 5 solcher Filter gesetzt werden.
Diesem schließen sich zwei BSS-Soundweb-Module an. Hier werden die Signale in die verschiedenen Line-Arrays und Nearfills verteilt. Auch die individuellen System-Equalizer für die einzelnen Side-Arrays werden im Soundweb realisiert, das auch die analogen Reserve-Ausgänge zur Verfügung stellt, sollte es einmal Ärger mit den digitalen Rückwegen geben. So erhalten zum Beispiel die kleinen Extra-Side-Hangs für die Plätze neben der Bühne im Soundweb ihre kleine Auffrischung im Bassbereich.
FOH: vom Feinsten
Mit Jon Lemon hat Eros Ramazzotti bereits im zweiten Jahr einen der wohlklingendsten Namen der Branche für den FOH-Platz seiner Produktion gewinnen können. Jon hat sich insbesondere als Live-Engineer für Pop und Jazz einen hervorragenden Ruf erarbeitet, wenn es darum geht, auch live den Klang-Charakter einer bereits veröffentlichten CD zu reproduzieren. Das ist auch bei Eros Ramazzotti das Ziel.
Während einer 5-wöchigen Probenphase haben sich die Band, FOH- und Monitortechniker mit dem Produzenten der aktuellen CD zusammengefunden und an dem Live-Setup gearbeitet. Das D5 live von DiGiCo liefert wie selbstverständlich mit allerlei Dynamik- und Effekt-Plugins ein ungeheures Potential an Peripherie mit. Im Siderack des FOH-Platzes finden sich dem zufolge nur noch extraordinäre Leckerbissen, die man eigentlich nur in wirklich gut sortierten Recording-Studios findet. Bei Hallräumen verlässt sich Jon Lemon ganz auf die Algorithmen eines TC System 6000, das ihm 4 Stereo-Effekte zur Verfügung stellt.
Mach es gleich – und mach es gleich richtig!
mit Jon Lemon im 19-Zoll-Gespräch
BW: „Hi Jon. Wie ist es, mit Eros auf Tour zu sein?“ JL: „Gut. Die Produktion macht wirklich Spaß, vor allem auch, weil die Band sehr gut ist. Ich genieße diesen Job wirklich.“ BW: „Habt Ihr für diese Produktion alles schon im Vorfeld festgeschrieben, wie lange war die Probenzeit für diese Show?“ JL: „Es gab 5 oder 6 Wochen Probenzeit im Studio und anschließend 2 Wochen Proben auf einer Probenbühne. Ich hatte bereits im Studio einen Raum mit der D5-Konsole für mich, wo ich die einzelnen Titel programmiert habe. Ich benutze das Relative-Snapshot-Feature der D5 Konsole. Für jeden Titel benötige durchschnittlich zwei bis drei Snapshots. Dort sind hauptsächlich Gain-Unterschiede abgespeichert. Wir haben 16 Spuren Playback mit Streichern, Sequenzern und solchen Sachen dabei. Das sind Spuren, die wir direkt aus der CD-Produktion übernommen haben. Das Händeln dieser Playbacks erfordert allein schon eine Automatisierung des Mixes.Eros wechselt zwischen Pop-Rock-Songs und Balladen, da werden die Level von Gitarren und Vocals doch erheblich geändert. Auch nutzen wir drei ver-schiedene Mikrofontypen an der Snare-Drum. Damit können wir ganz unterschiedliche Klang-Charaktere erzeugen. Dort sind auch Gates, Kompressoren und Gains automatisiert.“ BW: „War es deine Entscheidung, dass die DiGiCo D5 Konsole für diese Produktion verwendet wird?“ JL: „Ich habe schon vor Jahren mit den Prototypen dieser Serie gearbeitet und kenne dieses Pult wirklich sehr gut. Ich nutze immer zwei bis drei der eingebauten Effekte für Chorus, Delays oder Plates neben meinem TC System 6000, das ich eigentlich immer dabei habe. Allerdings ist es natürlich so: je größer das Venue ist, um so weniger brauchst Du Hall-Effekte.Neben den eingebauten Dynamik-Features benutze ich auch noch Outboard-Equipment. Für Eros Gesang habe ich eine Manley Voxbox, die mir einen schnellen Zugriff auf einen wirklich zupackenden Filter und einen ausge- zeichneten De-Esser zur Verfügung stellt. Dazu kommt noch der nette Röhren-Sound, der dieses Gerät auszeichnet. Außerdem hilft es einfach, für Sachen wie den Bass noch einen Summit oder Avalon parat zu haben. Das rundet den ganzen Mix ab.“ BW: “Wie sieht es aus mit Summen-Kompression? Benutzt du auch Kompressoren in Subgruppen?“ JL: „Ja, normaler Weise habe ich Smart C2 Kompressoren auf der Summe und komprimiere eine Schlagzeuggruppe. Außerdem habe ich eine zweite Voxbox für eine Background-Sängerin und einen Distressor von Empirical Labs – ein sagenhaft schnelles Teil – für die zweite Background-Sängerin. Dieses Mal benutze ich in der Summe einen digitalen MaxxBCL von Waves Audio. Als ich letztes Jahr hörte, dass das Renaissance Compressor Plug-In in diesem Gerät auch als Stand-Alone verfügbar ist, bin ich sofort losgerannt und habe mir eins besorgt.Auch die MaxxBass Funktion setze ich ein. Damit kann man die stehenden Wellen in den großen Arenen sehr gut umschiffen. Das Gerät hält den Mix auf eine schöne Weise zusammen und gibt dem ganzen mehr Punch.“ BW: „Es gibt also keinerlei Berührungs- ängste zur Digitaltechnik?“ JL: „Keineswegs. Die Digitaltechnik gibt uns endlich die Tools in die Hand, die wir jahrelang ersehnt haben. Man nimmt einfach aus jeder Welt das Beste. Wir nutzen ja auch 16 echte Röhren-Preamps, die die DiGiCo zur Verfügung stellt. Das vermittelt ein wirklich analoges Arbeitsgefühl. Da kann man bereits mit dem Gain auch den Klang beeinflussen. Mit diesem Feature verschmilzt wirklich die digitale mit der analogen Welt.
BW: „Was für Mikrofone benutzt Ihr für den Gesang?“ JL: „Wir verwenden Neumann KK104-Kapseln auf Sennheiser 5200-Handsendern. Ich bin tatsächlich ein Fan von diesem Mikrofon. Sennheiser und Neumann sind immer eine gute Wahl.“ BW: „Am Schlagzeug sind uns neben den Neumann-Overheads auch eine Menge Mikrofone von Beyerdynamic aufgefallen. Insbesondere das M88 in der Bass-Drum …“ JL: „Das M88 habe ich immer in der Bass-Drum. Eigentlich gibt es nur drei Möglichkeiten, eine Bass-Drum abzunehmen: Erstens habe ich eine Sennheiser 901 Grenzfläche im Kessel, und dann gibt es noch zusätzlich das TGM 88 von Beyerdynamic oder das D112 von AKG. Ich hätte gern auch Sennheiser 903 an den Toms gehabt, mit denen habe ich letztes Jahr bei Nick Mason (Pink Floyd) sehr gute Erfahrungen gemacht. Stevan, unser Monitormann wollte lieber die Opus 87 von Beyerdynamic. Die sind auch okay.“ BW: „Gibt es öfter Diskussionen zwischen Dir und Stevan, welche Mikrofone verwendet werden sollen?“ JL: „Ja, wir reden schon über das Thema. Wir kennen uns schon von der letzten Ramzzotti-Tour und wissen, worauf der andere steht. Da setzt sich dann mal der eine, mal der andere durch. Unsere Zusammenarbeit klappt gut.“ BW: „Eros Ramazzotti scheint auch beim Klang ein Wörtchen mitreden zu wollen, er schreitet die Halle ab, während die Band spielt und kommt auch mal auf einen Small-Talk zum FOH. Gibt es Reibungspunkte zwischen euch?“ JL: „Eros ist natürlich interessiert, wie das Ganze draußen klingt. Wir finden immer schnell zueinander – und: Wir machen einfach gute Shows zusammen.“ BW: “Der Tourstart in München soll gut gelungen sein….“ JL: „Die Münchner Olympiahalle ist eines von diesen Venues, in denen man sehr gut oder sehr schlecht abschneiden kann. München war dieses Mal in der Tat sehr gut gelungen.“ BW: „Also kennt auch ein Jon Lemon gute und schlechte Tage in der gleichen Location?“ JL: „Auf jeden Fall. Der Klang in einer Halle hängt von vielen Faktoren ab, die man nicht vorhersehen kann.“ BW: „Gibt es ein ganz einfachen Tipp für guten Sound?“ JL: „Ja. Mit dem guten Sound steht und fällt die ganze Show. Das klappt nur, wenn man von Anfang an nach anständigen Lösungen sucht. Es ist falsch, bei der Auswahl des Mikrofons Kompromisse zu machen, und versucht, das später am Pult auszubügeln. Mach es gleich – und mach es gleich richtig. Sonst wird das nichts. Wenn Du auf meine Konsole guckst, siehst Du, dass da nicht viel an den Filtern gedreht ist. Ich benutze einfach das richtige Mikrofon. Das ist wirklich wichtig. Natürlich fährt man mit hochwertigen Geräten am Besten, aber es muss nicht immer das Teuerste sein. Lieber ein paar wenige gute Geräte, die sich vielseitig einsetzen lassen, als einen Haufen bunter Lämpchen.“
Monitor: Das Herz der Produktion
Auch am Monitorplatz steht ein D5 live von DiGiCo. Hier wirkt Stevan Martinovic und sorgt für den Sound, den die Musiker hören. Sämtliche Mitglieder der Band tragen In-Ear-Systeme.
Wer es mobil braucht, vertraut bei Eros Ramazzotti auf Sennheiser Funkstrecken, Keyboarder und Drummer sind fest verdrahtet.
Stevan liefert aus der Konsole 14 Stereo-Mischungen ab und benutzt außerdem noch 8 Busse, um Effekte anzusteuern. Dieser Aufwand ließe sich mit analogen Konsolen kaum noch betreiben. Dabei ist Stevans Arbeitsplatz eher klein und beschaulich. Die Konsole misst in der Breite gerade 1,5 Meter; hinzu kommen zwei Sidracks und ein Funkrack.
Auch am Monitorplatz nutzt Stevan Soundweb-Module von BSS als Equalizer. Die In-Ear-Wege werden dort außerdem komprimiert. Das schafft Übersicht und Stevan Martinovic bleibt mobil:
Er kann sein Outboard-Equipment auf einem USB-Stick von einem Job zum nächsten tragen. In den Sideracks finden sich nur noch wenige Spezereien.
Da Stevan die pultinternen Hall-effekte nicht wirklich für kopfhörertauglich hält, gibt es je ein Lexicon PCM 91 für Lead-gesang, Backing-Vocals und Drums zusätzlich. Außerdem ziert ein Massenburg 8900 sowie zwei BSS DPR901 sein Siderack. Pultinterne Effekte werden als Delay, Chorus und Reverb insbesondere für die akustischen Gitarren eingesetzt.
Stevan nutzt den Vorteil der Digital-Konsole voll aus: Er hat für jeden Titel Snap-Shots abgespeichert, die er in der 5 wöchigen Pro-benzeit im Studio programmiert hat.
Wirklich außergewöhnlich ist allerdings sein Filterkonzept: Er nutzt so gut wie keine statischen Filter. Wenn gefiltert wird, dann nur dynamisch. Das bedeutet, dass die meisten Signale zunächst ungefiltert aufs Künstlerohr gelangen. Wenn das eine oder andere Instrument bei höheren Lautstärken nervige Spitzen entwickelt – erst dann senkt der Filter diese ab.
Eine Spezialität, die man sich nur mit digitaler Technik gönnen kann.
Eigenbrötler: Drums und Keyboard
Während alle Musiker der Band einen eigenen Mix per Funk erhalten, bilden Keyboarder und Drummer eine Ausnahme. Diese mischen ihren In-Ear-Sound selber.
Der Drummer erhält Loops, Sequenzer-Spuren, Klicks, sein Set und den Rest der Band separat und stellt daraus seinen eigenen Mix zusammen. Auch der Keyboarder regelt die Lautstärke seiner einzelnen Instrumente selbst, die er zu dem Band-Mix, den er von Stevan erhält, hinzumischt.
Alle Musiker erhalten in jedem Titel einen statischen Pre-Fade-Mix, denn Stevan hat während der Show alle Hände voll zu tun: Den Mix für Eros Ramazzotti. Er erhält 3 Mischungen, die Stevans ganze Aufmerksamkeit erfordern.
Sidefills: 12 kW trotz In-Ear
Eros Ramazzotti hat die Eigenart, nur auf einem Ohr einen In-Ear-Knopf zu tragen; das andere Ohr bleibt offen. So kann auf konventionelles Monitoring nicht ganz verzichtet werden.
Da sind zunächst einmal zwei geflogene Sidefills samt Subbässen aus je 5 VDOSC-Systemen. Ein solches Sidefill leistet vorsichtig gerechnet 6 kW pro Seite und kann manchen FOH-Engineer das Fürchten lehren. Die Side-Fills werden stereo betrieben und sind genau auf die Bühnenmitte ausgerichtet.
Damit Eros in der Bühnentiefe nicht ohne Monitor da steht, wird hier der Mix der Sidfills noch einmal auf zwei Wedges gegeben. Schwierig gestaltet sich das Time-Alignment der dort positionierten L-Acoustic-Monitore, denn bei den gängigen Bühnenmaßen von 20 Metern und mehr, müssen die Signale der Wedges deutlich verzögert werden, damit es beim Herumlaufen auf der Bühne nicht zu Phasing-Effekten kommt. Dabei darf die Verzögerung nicht so groß werden, dass der Künstler meint, sich aus den Wedges nur verzögert hören zu können – Nicht alles wird auf großen Bühnen einfacher.
An der Bühnenvorderkante stehen ganz klassisch vier Wedges für die Center-Position. Diese erhalten einen sparsamen Mix, der sich erheblich von dem der Side-Fills unterscheidet, so dass hier auf eine Laufzeitkorrektur verzichtet werden kann.
Nach längerem Experimentieren hat sich Stevan Martinovic an dieser Stelle für Wedges von Clair-Brothers entschieden:“Die liefern einfach ein Maximum an durch-setzungsfähigen Mitten bei optimaler Feed-backsicherheit.“ Außerdem findet sich für Eros Ramazzotti noch eine Outline Micra auf der Bühne. Dieses kleine Aktiv-Zwei-Weg-System sorgt am Elektro-Flügel von Yamaha für den richtigen Klang, wenn es in der Show leise und balladesk zugeht.
Mischung für den Leadsänger: postfade
Für Eros Ramazzotti hat Stevan Martinovic die Hand ständig am Fader. Da werden Soli unterstützt und das ein oder andere I-Tüpfelchen herausgeholt – kurz ein kleiner Front-Mix erstellt. Hierbei kommt Stevan während der Show kaum unter dem Kopfhörer hervor. Die Mixes für Eros werden allesamt postfade erstellt.
Nebenbei zeichnet Stevano zur Kontrolle eine Stereo-Mischung jedes Konzertes auf. Ein Hammer-Job.
Stevan Martinovic:“Man kann keine allge-meingültigen Regeln für einen guten Moni-torsound aufstellen. Man kann nur immer wieder Experimentieren und Hinhören … und Leidenschaft. Ohne Leidenschaft geht nichts.“
Soundcheck: entspannt
Hamburgs Color-Line-Arena gilt akustisch nicht gerade als optimal. Extrem lange Hallzeiten in den Bässen machen Pop- und Rockmusikern in dieser Halle das Leben schwer. Als beim Line-Check der erste Bass-Drum-Schlag gut 4 Sekunden in der Halle steht, lässt sich auf der Bühne ein ehrfürchtiges „Madonna!“ vernehmen, während es am FOH lakonisch heißt: „Oh, I remember that.“ Doch die Crew bekommt die Halle ohne besondere Extrem-Maßnahmen in den Griff.
Gut eine Stunde gönnt sich Eros Ramazzotti und Band für den täglichen Sound-Check. Trotz programmierter Einstellungen wird täglich hier und dort noch optimiert. Während unter den Technikern eine lockere, kollegiale Grundstimmung herrscht, ist Eros Ramazzotti ständig von einer Sphäre gespannter Aufmerksamkeit umgeben.
Der 42-jährige Pop-Star weiß, was er will und sagt das auch. Während Stevan Martinovic in den Tiefen des D5 versinkt, behalten die Backliner die Bühne im Blick und geben die Wünsche ihrer Musiker an Stevan weiter. An den Side-Fills wird heute länger geschraubt, denn die Raumantwort der Arena ist auch auf der teppichbezogenen Bühne noch sehr präsent.
Hat Eros die verschiedenen Positionen der Bühne abgenommen, gibt sich die Band einer Jam-Session hin, während Eros den Inneraum der Color-Line-Arena abschreitet. An kritischen Punkten verweilt der Profi ein paar Minuten, Bühnenvorderkante, Nullachse und FOH werden genauer begutachtet, ein kurzer Talk mit Jon und Antonio und es kann los gehen. Es ist 18.15 Uhr.
Die Show: grundsolide
Um 20.00 Uhr beginnt die Show pünktlich und ohne jeden Support-Act. Das Setup funktioniert und selbst in den mehr als 100 Meter entfernten Reihen des Oberrangs präsentiert sich eine grundsolide Popshow in einem Sound, der einem die mäßige Akustik der Halle fast vergessen lässt.
Licht und Video harmonieren wunderbar und transportieren Eros auch in die letzten Reihen, ohne sich in den Vordergrund zu stellen. Ein gutes Stück Handwerk, dass die Fans mit zahlreichem Erscheinen und freudigem Applaus belohnen. Eros Ramazzotti 2006, ein Show-Act nicht nur für Mädchen.